Dienstag, 6. Mai 2014

Das Rätsel vom Tribschenhorn - Eine Fortsetzungsgeschichte

was bisher geschah

Das Amulett


Heidelinde Weiss streicht sich die Haare aus dem Gesicht. Die ihr im selben Moment wieder zurück fallen. Er sollte schon längst hier sein. Immer haben diese verdammten Busse Verspätung. Ungeduldig trippelt sie auf und ab. Da streifen die Scheinwerfer über den Asphalt und lassen die Kieselsteine lange Schatten ziehen. Mit einem seufzen und pfuffen hält der Bus. Fünfmal hat sie schon gedrückt bevor die Türe aufgeht. Heidelinde Weiss steigt steif und aufrecht hinein. Ein beissender Gummigeruch sticht ihr in die Nase.
Es war ihr letztes Konzert im Schweizerhof für dieses Jahr. Der Veranstalter bedankte sich nochmals herzlich bei ihr. Sie bekam sogar einen dichten Blumenstrauss geschenkt, den sie bei erstbester Gelegenheit in einen Abfallhai am Schwanenplatz versenkte. Nein, sie will kein Andenken an dieses Konzert. Das Lucerne Festival gibt ihr zwar gutes Geld, doch ob sie das gerne macht, das wird sie von niemandem gefragt. Naja - beinahe niemand. Ihre Mutter lädt sie hin und wieder zu gemeinsamen Mittagessen ein. Draussen an der Reuss in der Antipasteria La Barca, wo einem die Spatzen wie wilde Horden umgeben und die Schwäne ihre langen Hälse Recken. Da fragt sie dann: „Wie gehts denn dir, mein Kind?“ Wobei sie ihren mütterlichen mitleidsvollen Blick auf die nervös zuckenden Augenlider ihrer Tochter richtet. Heidelinde könnte die Wände hochgehen in solchen Augenblicken.


Heidelinde zuckt zusammen und umklammert wie auf Befehl ihr zierliches Steinamulett, dass sie um den Hals trägt: ein Pferdekopf. Lautes Sirenengeheul wirft sie aus ihren Gedanken. Was ist denn jetzt schon wieder los?! Zwei Streifenwagen drängen blau blinkend und hornend am Bus vorbei. Schlängeln sich durch die Autokolonen, die sich vor dem Lichtsignal aufstauen.. Wie gerne wäre sie in einem solchen Auto unterwegs. Einfach an allen vorbei, immer die Strasse frei, ohne diesen Geruch von Schweiss und verbranntem Gummi, wie hier im Bus.
Es läuft ihr kalt über den Rücken herunter. Sie reibt sich ihre klebrignassen Händen mit den zierlichen Pianisten Fingern. Sie will nur noch nach Hause. Die Bustüre öffnet sich kühlfrische Luft strömt herein, Heidelinde Weiss läuft mit eiligen Schritten auf den Bahnhof zu. Den Zug nach Stans wird sie gerade noch schaffen.
Da vibriert ihr Smartphone: Ihre Mutter. Sie zögert, stockt, bekommt Herzklopfen. Was ist nur los? Mit einer Kopfbewegung wirft sie ihr Haar zurück und nimmt ab.


Ja? Ja, Nein!“- „Was?!“ „Oh nein, oh nein!“


Sie kehrt um, mit einem viel weniger sicherem Gang steuert sie auf ein Taxi zu: „Brambergstrasse 23!“ Völlig schwach lässt sie sich auf den Rücksitz des Taxis fallen. Ihr Kopf dreht. Sie glaubt das Bewusstsein verlieren zu müssen.
Die Türe steht offen. Das Leuchtschild der Galiere lässt ihr Gesicht noch blasser erscheinen als sonst. Ihre Mutter sitzt gekrümmt auf einem Stuhl und zittert: „Er ist tot, er wurde ermordet!“ Heidelinde hört einen Nachtvogel rufen und starrt in die schwarze Nacht hinaus.

Fortsetzung

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